1.509.655 Mio. Menschen in Deutschland, das klingt für mich ziemlich viel,
aber das ist laut vegankraftwerk.de die
Menge an Menschen, die den veganen Lifestyle leben. So viele unter
uns trinken also keine Milch und essen somit auch kein Käse oder
Joghurt, nehmen keine Eier zu sich, kein Honig, tragen kein Leder und
sind darauf bedacht, dass alle Produkte des alltäglichen Gebrauchs
nicht an Tieren getestet wurden. Für mich klingt das im ersten
Moment anstrengend und irgendwie ziemlich eingeschränkend. Leben
Veganer wirklich gesünder oder haben die Fleischfraktion und die
Milchtrinker recht und die, bei denen tierische Produkte nicht auf
dem Speiseplan stehen, haben Mangelerscheinungen und gehören
tatsächlich in die Ökoecke? Ist die Diskussion um Veganismus
gerechtfertigt? Fehlt es einem an etwas, wenn man verzichtet? Da
ich als Hobby-Köchin und kleiner Gourmand stets kulinarisch
experimentierfreudig und allem Neuen gegenüber offen bin, stürze
ich mich eine Woche lang als 1.509.656 Mio. in den Selbstversuch und
lebe nach den veganen Spielregeln.
Nach
diesem Entschluss kreisen die Gedanken bereits in meinem Kopf:
Irgendwie muss ich meine angebrochenen non-veganen Lebensmittel noch
verbrauchen. Eine halbe Dose Thunfisch, ein wenig Schinken, Käse und
Milch müssen vor Anbruch des neuen Tages noch gegessen werden. Da
fällt mir spontan ein, eine Pizza zu backen und alles draufzuhauen.
Das Ergebnis war wahnsinnig lecker, schade, sowas gibt es für dich
die nächste Woche schonmal nicht.
Mit
dem Beginn der Woche, muss ich über weitere Dinge nachdenken und mir
kommt beim Fertigmachen in den Sinn, dass ich meine Uhr mit
Lederarmband gar nicht tragen darf, zum Glück besitze ich sonst nur
Kunstledersachen. Wie sieht´s denn aus mit Make-up? Nach einem etwas
panischen Blick ins Schminktäschchen und anschließendem Prüfen der
Marken auf der dafür extra angelegten Seite der
Tierschutzorganisation PETA, kann ich beruhigt feststellen, dass
diese keine Tierversuche unterstützen.
Wunderbar,
dann kann der Tag ja mit dem ersten Frühstück starten:
Vollkörnbrötchen mit veganer Butter, Marmeladen und Schwarztee –
mit Hafermilch. Ich muss sagen, dass die Butter lange nicht mit
echter mithalten kann und auch Tee mit Kuhmilch echt besser
schmeckt, aber ich hätte es mir fast schlimmer vorgestellt. Mittags
esse ich nochmal Brot, diesmal mit Aufstrichen von Alnatura:
Mango-Schwarzkümmel und Tomate-Bruschetta, beide super lecker und
mit unter zwei Euro pro Gläschen vollkommen erschwinglich. Auch die
anderen Ersatzprodukte sind nicht viel teurer als ihre tierischen
Gegenspieler. Alnatura wird wohl in dieser Woche noch mehr als zuvor
zu meinen Place-to-be. Nach dem Mittagessen verspüre ich schon den
Drang nach etwas Süßem, die kleinen Ferrero Küsschen in meiner
Schublade sind ja leider Tabu. Wieder muss ich nach Alternativen
suchen und siehe da, Zartbitterschokolade ist vegan! Das habe ich nun
wirklich nicht gewusst. Bei meinem nächsten Einkauf wandern deshalb
Schokoreiswaffeln und Soja-Schnetzel in meinen Einkaufskorb. Letztere
verwende ich als Hackfleischersatz in meiner Gemüsetomantensauce,
die es mit Pasta zum Abendessen gibt.
Auch
nach Tag zwei fehlt es mir an nichts, sogar einen Hefekuchen kann ich
backen und zwar mit Apfelmus anstatt Eiern. Verrückt aber köstlich!
Mein geliebtes Nutella habe ich durch Zartbitterschokoladenaufstrich
ersetzt. Am Abend gibt es Pasta von gestern. Beim Skypen mit meiner
Mama bringt sie mich auf den Gedanken, ob ich Hefe überhaupt essen
darf, wegen den kleinen Bakterien, aber Google sagt mir daraufhin,
dass das geht. Klar, sonst dürfte ich mich und meine Kleider ja auch
nicht waschen. Den dritten Tag starte ich mit Porridge, snacke
zwischendurch meine Reiswaffeln und koche abends Thai-Curry mit
Kokosmilch, viel Gemüse und Tofu. Abends gönne ich mir noch einen
veganen Joguhrt, der, wie alles andere, echt gut schmeckt.
In
der Halbzeit meines Selbstversuches und auch die restliche Woche
vermisse ich nichts, alles tierische wurde ersetzt und das Neue hat
sich bereits gut in meinem Kühlschrank eingelebt. Müsste ich mein
Experiment vielleicht verlängern, damit mir etwas fehlt? Aus Neugier
und um noch mehr über den Veganismus herauszufinden, google ich
abends nach Fakten und sonstigem Wissenswertem: Die
Lebenserwartung einer Legehenne wird durch Käfighaltung von 20 auf
nur knapp ein Jahr
reduziert, stellt sich nach dem Schlüpfen heraus, dass ein Küken
männlich ist, wird es sofort aussortiert, vergast oder zerhäkselt,
eine üble Vorstellung, Videos dazu möchte ich mir nicht anschauen.
Überzüchtete Kühe geben außerdem heute laut PETA bis zu zehn Mal
mehr Milch als noch vor 25 Jahren. Zahlen, die einem echt zu denken
geben.
Auch
das von Gegnern gern angebrachte Argument des Nährstoffmangels
interessiert mich. Laut der Tierschutzorganisation gibt es da kein
Grund zur Sorge. Grünkohl,
Spinat, Nüsse und Sojaprodukte decken den Bedarf mehr als
ausreichend. Nur Vitamin B12 kann nicht so aufgenommen werden. Aber
auch da ist eine Lösung in Form von Zahnpasta parat. Fünf Euro soll
diese kosten, ich denke aber, dass ich eine Woche wohl darauf
verzichten kann. Wer noch eine Schippe drauflegen will, kann sich in
die Welten der Superfoods stürzen und auf Pülverchen mit ominösen
Namen wie Acai, Moringa oder Goji zurückgreifen. Wer mit dem Geist
der Zeit läuft, probiert auch mal einen Chiapudding oder einen Green
Smoothie. Alles super trendy. Immer mehr junge Leute, zu denen ich ja
auch gehöre, springen gerade durch solche Snacks auf den Trendzug
auf. Doch jagen die nicht
eh allem Neuen hinterher und ist Veganismus für sie nur eine
Modeerscheinung wie Jeans mit Löchern an den Knien?
Langsam
merke ich doch, dass ich ein wenig sozial und kulinarisch
eingeschränkt bin. Wie gerne würde ich mir jetzt ein Eis gönnen
oder den leckeren Käsekuchen vom Zuckerbäcker oder mit Freunden
Pizza essen gehen. Am Donnerstag kann ich tatsächlich mit in die
Mensa, da es dann nämlich ein veganes Gericht gibt. Da sieht man
mal, dass irgendwie sogar da der Trend angekommen ist. Ich merke
auch, dass sich „vegan sein“ allgemein vom Ökolebensstil zum
coolen, hippen, auch im Alltag umsetzbaren Lifestyle gemausert hat,
gibt es günstige, vegane Produkte sogar schon bei Aldi. Ich kann mir
das Ganze nach diesem zwar geglückten Selbstversuch trotzdem nicht
vorstellen, aber man würde sich an alles gewöhnen, wenn man denn
nur will und das braucht seine Zeit. Einzelne vegane Tage lassen sich
da schon eher im Alltag unterbringen. Mit den ganzen Infos im Kopf,
achte ich jetzt auch eher darauf, woher meine Milch und Eier kommen.
Wenn mehr Menschen so denken würden, wäre das ja auch schon ein
großer Schritt in Richtung Weltverbesserung, denke ich mir. Am
Samstag gehe ich einkaufen, auf den Ziegenkäse und die Cantuccini
freue ich mich dann doch schon sehr.
Julia ♥
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